• Wahlen in der Türkei / Interview mit Ahmet Iyidirli (Neues Deutschland, 3. Mai 2007)

    Neues Deutschland, 3. Mai 2007

    Türkische Regierung beantragt vorgezogene Neuwahlen zum Parlament
    Eine Alternative zur AKP
    ND-Gespräch mit Ahmet Iyidirli 

     
    Ahmet Iyidirli ist Bundesvorsitzender der Föderation der Volksvereine türkischer Sozialdemokraten in Europa (HDF).


    ND: Warum hat die Präsidentenwahl in der Türkei so große Bedeutung?
    Ahmet Iyidirli: Der Staatspräsident ist in der Türkei wichtig, weil er entscheidenden Einfluss auf die Ernennung der Mitglieder zentraler staatlicher Gremien hat, etwa des Hochschulrats oder des Verfassungsgerichts. Die regierende islamische AKP hat versucht, den laizistischen Staatsapparat mit ihren Leuten zu besetzen und so zu islamisieren. Dies wurde teilweise vom säkularen Präsidenten Ahmet Necdet Sezer verhindert.

    Welche Folgen hätte denn ein AKP-Mitglied als Staatspräsident für die Türken in Deutschland?
    Der Staatspräsident hat allgemein wenig Einfluss auf die Auslandstürken. Aber es geht auch um die Reformhoffnungen der türkischen und türkischstämmigen Demokraten im Ausland. Konservative und islamistisch orientierte Kräfte würden sich auch hier bestärkt fühlen und noch offensiver auftreten. Diese Entwicklung gab es schon während der Regierungszeit von Erdogan.

    In der deutschen Presse wurde die Kandidatur von Außenministers Abdullah Gül begrüßt, er gilt als liberaler Politiker.
    Das ist das Ergebnis billiger Propaganda. Seit wann ist die AKP eine liberale Bewegung? Sie sagen, dass der Islam, eine Religion, ihre politische Referenz sei. Was ist da liberal? Da verstehe ich unter liberal etwas ganz anderes, und zwar das Beharren auf republikanischen, demokratischen und laizistischen Prinzipien. Alle in der AKP-Führung haben die gleichen Wurzeln: den politischen Islam.

    Aber haben die Türken nicht massiv für die AKP gestimmt?
    2002 kam die AKP bei niedriger Wahlbeteiligung auf 34 Prozent der Stimmen. Doch wegen der Zehn-Prozent-Hürde sind 45 Prozent der Wählerstimmen nicht im Parlament präsent, und so hat die AKP dort fast eine Zweidrittelmehrheit.

    Was fordern die jüngsten Massendemonstrationen? Hier wurden sie oft als nationalistisch hingestellt.
    Die Teilnehmer streiten für eine laizistische und demokratische Republik. Diese Menschen generell als Nationalisten abzustempeln, ist verantwortungslos.

    Warum gibt es keine vereinigte liberale oder linke Opposition?
    In der Türkei gibt es seit 15-20 Jahren mehrere linke bzw. sozialdemokratische Parteien. Zu den meisten haben wir als HDF gute Kontakte. Die CHP ist momentan die Hauptströmung, und das wird wohl auch so bleiben. Wir wünschen uns einen Zusammenschluss aller Sozialdemokraten. Es ist sehr wichtig, dass es wieder eine überzeugende Alternative zur AKP gibt.

    Was erwarten Sie von den angekündigten Parlamentswahlen?
    Die Zehn-Prozent-Hürde schafft die Möglichkeit für eine Partei, mit einem Drittel der Stimmen zwei Drittel der Mandate zu erringen. Die angekündigten Neuwahlen sind jetzt auch die Chance, auf die Forderungen der Opposition einzugehen und diese Schieflage des Wahlgesetzes zu ändern, damit die Parteien entsprechend ihrer Stärke im Parlament repräsentiert sind. Eine solche gemeinsame Krisenlösung ist aber nur eine Hoffnung, keine Garantie.
    Fragen: Elif Kayi


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